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Radiobeitraege und Predigten von DMLBonn-Mitgliedern

Dradio: Islamische Gemeinschaften, Sendung zum 11. November 2009

Autor und Sprecher: Taufiq N. Mempel

As-Salamu aleikum wa Rahmatullahi wa Barakatuhu Der Friede sei mit Ihnen, der Segen und die Barmherzigkeit Gottes

Was kann das gemeinsame zwischen den Religionen sein, die so offensichtlich unterschiedlich in ihren Begriffen sind, die mitunter als Parallelreligionen erscheinen, und andere wiederum, zwischen denen man sich auf den ersten Blick überhaupt keine Brücke denken kann.

In der Tat gibt es für viele Anhänger einer Religion kaum einen Grund, sich Vertretern anderer Religionen zuzuwenden. Der Grund: Er oder sie wird stets versuchen, seine/ihre Religion, im engeren Sinne seine Wahrheit, vor die Wahrheit des anderen zu stellen und seine Religion zu verteidigen. Oder wie es Martin Lings sinngemäß so ausgedrückt hat: „Die Religionen kann man mit einem Rad vergleichen. Auf ihrem äußeren Umfang gibt es keine direkte Verbindung zwischen ihnen. Aber auf dem Weg zum Mittelpunkt kommen sich die Menschen auf jedem ihren Radien immer näher“. Dieser Weg in die Mitte ist in jeder Religion die Mystik.

Hier möchte ich als Muslim zwei Begriffe aus dem Kreis der alten indischen Erkenntnislehre erwähnen: Bhakti und jnani.

Ein Jnani ist ein Suchender, der auf dem Weg des geistigen Zweifels und der rationalen Erkenntnis zu Gotteserfahrungen kommt. Ein Bhakti hat als Quelle seiner Erkenntnis das Licht erkannt, das seinen Wohnsitz in seinem Herzen hat.

Hier kommen uns hier aus der religiösen Geschichte unseres Kulturkreises mehrere Repräsentanten entgegengetreten. Als Vertreter des „Jnana“-Weges im Islams – wenn man so sagen darf - muss hier Abu Hamid al-Ghazzali genannt werden, der mit seinem überragenden Verstand jedes theologische Eisen seiner Zeit anpackte und es verstand, eine Brücke zwischen Gelehrtentum und Mystik zu bauen, die im Islam bis zum Auftauchen der Moderne gangbar war und bis dahin im Mittelpunkt der akademischen Debatte stand.

Als Vertreter des Bhakti-Weges stehen dem ganz klar Persönlichkeiten wie Ibn Arabi, Dschelal ad-Din Rumi und Abu Hasan ash-Shadhuliyy gegenüber. Die Lehre dieser Schechs lebt bis heute in einer Vielzahl von islamischen Ordensgemeinschaften auf dem gesamten Erdball fort. Die Lehre Ibn Arabis von der Einheit des Seins Wahdat al-Wudjud ist ein einziger – hier islamischer – Ashtavatra-Gita-Dialog.

Auf christlicher Seite kann ich in unserem Zusammenhang von jnani und bhakti unwillkürlich an Vertreter wie Meister Eckhardt auf der einen und Heinrich Seuse, Theresa von Avila und Johannes vom Kreuz auf der anderen denken.

Ziel aller Bestrebungen ist es, das Licht des Geistes in die Herzen einziehen zu lassen und mit dem Auge der Gewissheit zu betrachten. Moksha – Befreiung. Der Begriff „Intellekt“ wurde in diesem Zusammenhang in der klassischen Zeit unserer Religionen als die Fähigkeit des Menschen verstanden, hinter die Kulissen dieser Welt / Dunya / Maya / Höhle zu schauen und die wahren Urbilder im Himmel selbst zu betrachten, deren schwaches Abbild diese Welt ist.


© Taufiq Mempel, Deutsche Muslimliga, Bonn/Berlin

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